Prof. Edgar Reitz

Edgar Reitz  (© H. Kosub)Edgar Reitz wurde 1932 in Morbach/Hunsrück geboren. Aufgewachsen in handwerklich-bäuerlichem Umfeld studierte er nach dem Abitur, das er in Simmern ablegte, in München Theaterwissenschaft sowie Germanistik, Kunstgeschichte und Publizistik.

  • 1950-54 gelegentliche Veröffentlichungen von Gedichten und Erzählungen, Mitherausgeber einer literarischen Zeitschrift.
  • 1953 Gründung des „Studentischen Zimmertheaters", aus dem 1954 die „Studiobühne an der Universität München" hervorgeht. Mitglied eines Filmseminars, in dem Filmklassiker diskutiert und analysiert werden.
  • 1953 erste praktische Filmversuche, seit Mitte der 50er Jahre Kamera-, Schnitt- und Produktionsassistent - auch Zugang zur professionellen Filmarbeit.
  • 1956-59 (Co)-Autor zahlreicher Kulturfilme, seit 1959 als Regisseur von Dokumentar-, Industrie- und Kurzfilmen tätig.
  • 1962-65 Leiter der Abteilung für Entwicklung und Experiment der "Insel-Film". Mitglied der sogenannten „Oberhausener Gruppe", die 1962 bei den Oberhausener Kurzfilmtagen den Anspruch erhebt, den neuen deutschen Spielfilm zu schaffen.
  • 1963 zusammen mit Alexander Kluge Gründung des Instituts für Filmgestaltung an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm, bis zur Schließung der HfG 1968 arbeitet er dort als Dozent.
  • 1965/66 Kamera bei "Abschied von Gestern" von Alexander Kluge.
  • 1966 erster Spielfilm "Mahlzeiten", der 1967 bei den Filmfestspielen in Venedig ausgezeichnet wird. Beide Arbeiten gehören zu Debütfilmen, die 1966/67 den Begriff „Junger Deutscher Film" prägen.
  • 1967/68 Jurymitglied beim Experimentalfilmfestival in Knokke. Im Mai/Juni 1968 Unterricht an einem Münchner Gymnasium in Filmtheorie und -praxis, Filmstunde ein Dokumentarfilm über dieses Projekt. Im August 1968 mit Pasolini aus der Jury der Biennale in Venedig zurückgetreten.
  • 1971 Versuche mit einem Kneipenkino, in dem die Besucher anhand einer „Speisekarte" das Programm aus 23 KÜBELKIND-GESCHICHTEN und Filmen aus der Frühzeit des Kinos selbst zusammenstellen können. Er gründet die Edgar Reitz Filmproduktions GmbH, einer bis heute in München ansässigen Filmproduktionsfirma, die neben den eigenen Filmen auch Projekte namhafter anderer Regisseure produziert.
  • In den 70er und 80er Jahren zahlreiche Produktionen im Bereich des Dokumentarfilms, Spielfilms und Fernsehspiels, zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
  • Seit Mitte der 60er Jahre Beteiligung sowohl an filmpolitischen als auch an Gemeinschaftsaktionen des Neuen Deutschen Films. Zahlreiche Veröffentlichungen über Filmtheorie, Filmästhetik und Fragen der Zukunft der Filmkunst in Zeitschriften und Büchern.
  • 1978 Abwendung vom Spielfilm und seinen staatlich geförderten Formen.

Mit dem Filmroman Heimat (1984), einer Chronik des fiktiven Hunsrückdorfes Schabbach und seiner Bewohner von 1919 bis 1982 erlangt Reitz Mitte der 80er Jahre weltweit Anerkennung. Der Film erhält zahlreiche Auszeichnungen und schon im gleichen Jahr starten die Vorbereitungen zur Produktion Die zweite Heimat (1992). In dreizehn Teilen und 26 Stunden Film erzählt Reitz Geschichten von Nestflüchtern und Heimatlosen im München der Sechziger Jahre. Es ist vor allem die Geschichte des Musikstudenten Hermann Simon, der 1960 aus seinem Hunsrückdorf Schabbach flieht und auf der Suche nach einer zweiten Heimat Gleichgesinnte trifft, so auch die begabte Cellistin Clarissa Lichtblau, seine große Liebe. Heimat 3 –Chronik einer Zeitenwende– (2004), der dritte Teil der HEIMAT-Trilogie, ist die erzählerische Bilanz des alten Jahrhunderts in seinem letzten Jahrzehnt. „Von der Wende zur Wende" heißt das innere Thema. In tragisch-komischer Weise erzählt der sechsteilige Film von der Aufbruchstimmung der Wendezeit, von den deutschen Träumen, die wir zu träumen anfingen und wie diese sich in der globalen Grenzenlosigkeit verloren.

Mit seiner Jahrhunderttrilogie schafft Edgar Reitz ein filmisches Werk eigener Art, das einen Umfang von 30 Filmen mit einer Spieldauer von über 51 Stunden umfasst.

„Er ist der Epiker Deutschlands des 20. Jahrhunderts und der Jahrtausendwende schlechthin. Edgar Reitz hat das Wort „Heimat" von jenem rückwärts gewandten Odium befreit, das ihm aus der Blut-und Boden-Ära des deutschen Faschismus anhaftete. „Heimat" bei Edgar Reitz ist - und wie könnte es anders sein in einer Kunst, deren Sprache darin besteht, Orte in Zeit zu verflüssigen und aus der Zeit den Ort immer wieder neu zu justieren -, „Heimat" bei Edgar Reitz ist ein ständiger Prozess der Verwandlung, ein Prozess, in den er sich selbst mit einbringt, nicht nur wenn er mit einer Gelassenheit ohnegleichen mehr als 50 Stunden lang von „Heimat" erzählt. Bei Reitz dient alle Erfindung und Technik des filmischen Erzählens der Idee, die Fortgang des Erzählens zu sich selbst kommt. Dass er uns die Utopie von einer sich in Heimat verwandelnden Welt errettet hat, dass er an diesem Umbau mitwirkt, und dass er europäische, ja weltweite Maßstäbe gesetzt hat für das visuelle Erzählen, das ist zu würdigen." (Peter W. Jansen)

Besondere Ehrungen (Auswahl):

  • 1985 – Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz
  • 1993 – Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
  • 2000 – Staatskunstpreis des Landes Rheinland-Pfalz
  • 2002 – Ehrenbürgerwürde der Stadt Simmern/Hunsrück
  • 2004 – Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz für Verdienste um die deutsche Sprache
  • 2006 – Ehrendoktorwürde der Johannes Gutenberg Universität Mainz
  • 2006 – großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 2007 – Konrad-Wolf-Preis und Hans Abich-Preis für seine Heimat-Trilogie
  • 2009 – Kulturgroschen des Deutschen Kulturrates
  • 2010 – Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin
  • 2010 – Officier de l`ordre des arts et des Lettres
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